Donnerstag, März 23, 2006

Filmkritik: Die Wolke

Eines der Bücher, die mich als Jugendliche am stärksten beeindruckt haben, wurde nun verfilmt. Das heißt nicht immer unbedingt etwas Gutes, oft macht man sich damit ja die Bilder im Kopf kaputt, die beim Lesen den ganz persönlichen Film bedeutet haben, aber da es mindestens 15 Jahre her ist, dass ich das Buch gelesen habe, wusste ich zwar noch, worum es geht, nicht aber mehr im Einzelnen, was passiert. Wobei ich im Nachhinein sagen muss, dass es nicht schlimm gewesen wäre.

An einem wunderbaren Sommermorgen gibt es einen Störfall im AKW Grafenrheinfels bei Schweinfurt. Eben noch bekam Hanna ihren ersten Kuss, und nun muss sie sehen, wie sie ihren kleinen Bruder aus der Grundschule im Heimatort bekommt, um mit ihm nach Hamburg zur Tante zu flüchten. Die Nachbarn fahren ohne sie, die Mutter meldet sich aus Schweinfurt und gibt ihnen zu verstehen, dass sie fliehen müssen, der frischgebackene Freund versucht vergebens, sich zu ihr durchzuschlagen.

Entgegen der allgemeinen Hoffnung gibt es für einige der Protagonisten kein Happy End. Es gibt Tote und schwer Verstrahlte, es gibt Misstrauen und abfällige Kommentare, wenn Hanna ohne Haare durch Hamburg läuft, und selbst der immer positiv denkende Elmar ist irgendwann am Ende seiner Kraft.

Der Film besticht durch seine Eindringlichkeit. Der Beginn ist zu perfekt, man spürt das Unheil geradezu kommen, und obwohl man weiß, was passieren wird, wünscht man den Menschen im Film, dass sie entkommen werden. Sehr beeindruckend ist es, dass niemals ein AKW oder ein Rauchpilz gezeigt wird. Der Schrecken ist unsichtbar und damit um vieles bedrohlicher, als wenn er greifbar wäre. Und letztlich stehen sich die Menschen einmal mehr gegenseitig im Weg, anstatt an einem Strang zu ziehen. Auch das ist fein beobachtet und wohl die ehrlichste Prognose, die man für eine solche Ausnahmesituation geben kann.

Besonders beeindruckend sind die Darsteller. Sowohl Paula Kalenberg in der Rolle der Hanna als auch Franz Dinda als Elmar sind so überzeugend, dass es schwerfällt, zwischen Film und Realität zu trennen. Die Liebe der beiden Hauptfiguren wirkt so authentisch, ihre Bemühungen ums Überleben und ihre Verzweiflung bei jedem neuen Schicksalsschlag so real, dass wohl kaum ein Zuschauer mit gänzlich trockenen Augen aus diesem Film gehen wird.

Dass ein Thema wieder aufgegriffen wird, das das Leben in den 70ern und 80ern bestimmt hat und dessen Präsenz von AIDS, Rinderwahnsinn und Vogelgrippe weiter nach hinten verdrängt wurde, als hätte geschehen dürfen, ist schon an sich ein Lob wert. Die Art und Weise, wie dieser Film das Thema Atomkraft wieder zur Sprache bringt, ist bewundernswert.

Ganz sicher kein Film nur für Jugendliche, ganz im Gegenteil. Dieser Film wird aus der Perspektive der Jugend erzählt, geht aber jeden etwas an und geht in keiner Sekunde auf das Niveau des üblichen Teeniefilm hinunter. Ansehen, unbedingt!

Die Wolke, Dtl. 2006. Mit Paula Kalenberg, Franz Dinda, Richy Müller u.a.
Nach dem gleichnamigen Roman von Gudrun Pausewang, Ravensburger

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