Montag, Oktober 20, 2008

Rezension Drachenläufer

Natürlich habe ich von diesem Buch gehört, wusste, dass es verfilmt wurde und ewig lange auf den Bestsellerlisten stand. Eigentlich eher ein Grund, ein Buch nicht zu lesen. Andererseits hat es meinem Vater gefallen, und der ist meistens ein Garant für gute Literatur, haben wir doch einen ähnlichen Buchgeschmack.

Also sprang es in meinen Einkaufskorb, als ich vor einigen Monaten mal wieder bei Weltbild stöberte, und nun endlich bin ich dazu gekommen, es zu lesen.

Khaled Hosseini beschreibt eine Kindheit im Afghanistan der 60er Jahre, und man spürt, wie lebensfroh die Menschen damals waren, wie offenherzig und modern. Die Kinder wachsen sehr frei auf, Frauen dürfen selbstverständlich Berufen nachgehen und unverschleiert auf die Straße, alles in allem wirkt es wie eine orientalische Variante meiner eigenen Kindheit - frei und unbeschwert.

Amir ist der Sohn eines reichen, einflussreichen Mannes. Seine Mutter starb kurz nach seiner Geburt, so dass er in einer Männerwelt groß wird, denn auch der Diener seines Vaters ist alleinerziehender Vater, seine Frau verließ ihn quasi aus dem Kindbett heraus. Die beiden Jungs verbringen ihre Zeit miteinander, spielen auf den Straßen Kabuls und lassen gemeinsam Drachen steigen, was in Kabul ein Straßenfest ist, bei dem es darum geht, die Schnur der anderen Drachen zu schneiden und den eigenen Drachen am längsten am Himmel zu halten, wozu die Schnüre mit Leim und Glassplittern präpariert werden. Aber natürlich ist das Leben nicht immer so einfach, denn es gefällt manchen nicht, dass Amir sich mit einem Hazara auf eine Stufe stellt, dass er seinen Diener - denn das ist Hassans Funktion im Haushalt - als einen Freund behandelt. Amir weist dies weit von sich und begreift erst, wie wertvoll diese Freundschaft war, als er Hassan verrät.

Gut zwei Jahrzehnte später, als nichts mehr ist, wie es war und Afghanistan im Krieg zerstört wird, kehrt Amir aus den USA zurück, um seine Schuld zu sühnen.

Das Ende ist nicht kitschig-zuckrig, wie es in einem amerikanischen Roman vermutlich der Fall wäre, aber es ist auch nicht hoffnungslos. Es bleibt vieles offen, dennoch sind alle wichtigen Fäden zusammengeführt, und neben einer verschlungenen Familiengeschichte hat man noch sehr eindrucksvollen Einblick in die Geschichte eines Landes erhalten, das man bisher so gut wie nur aus den Katastrophenmeldungen der Nachrichten kannte.

Mich hat dieser Roman stark berührt und ich lege ihn jedem ans Herz, der gerne in andere Kulturen hineinschnuppert und Bücher mag, die spannend und verschlungen geschrieben sind, ohne langatmig oder ermüdend zu sein.

Khaled Hosseini: Drachenläufer
Berliner Taaschenbuch Verlag
ISBN: 978-3-8333-0149-0
€ 10,50 brutto